Angesichts der düsteren Konjunkturaussichten wächst der Druck auf die Wirtschaft, auf Massenentlassungen zu verzichten. Bundespräsident Horst Köhler äußerte sich besorgt über einen möglichen Anstieg der Arbeitslosigkeit wegen der schlechten Auftragslage. Er freue sich deshalb, dass Großunternehmen beim Gipfel im Kanzleramt ihre Bereitschaft signalisiert hätten, die Beschäftigten zu halten. "Das spricht für Einsicht in die soziale Verpflichtung unserer Marktwirtschaft. Es spricht auch für wirtschaftliche Vernunft."
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, sieht die Wirtschaft für den Erhalt von Arbeitsplätzen "in der moralischen Verantwortung". Die Firmen seien "nicht nur Opfer der Finanzkrise", sondern hätten "der Gier nach hohen Renditen nichts entgegengesetzt", sagte Sommer der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Manager hätten "tausendfach Menschen entlassen, nur um einigen Aktionären unseriöse Renditen und sich selbst unmoralische Gehälter zu garantieren".
Bundespräsident Köhler appellierte an die Verantwortlichen der Finanzwelt, über ihr Tun nachzudenken und Konsequenzen zu ziehen. "Wahr ist (...), dass Verantwortliche in Banken in jüngster Vergangenheit mehr Schaden für die soziale Marktwirtschaft angerichtet haben als uns lieb sein kann". Die Krise wird nach seiner Einschätzung bis ins Jahr 2010 reichen. "Dann werden wir hoffentlich das Gröbste hinter uns haben."
Außenminister und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) verlangte eine schlüssige strategische Antwort auf die Finanz- und Wirtschaftskrise, die sich nicht auf eine Branche konzentriere. "Wer heute das Blatt "Zukunft" beschreiben will, muss die vier Ecken mit Arbeit, Umwelt, Bildung und Innovation ausfüllen", sagte er der "Welt am Sonntag". Gleichzeitig sprach er sich für staatliche Hilfen zugunsten der deutschen Autoindustrie aus.
Im Streit zwischen Vertretern der Kirchen und der Wirtschaft über Auswüchse des Kapitalismus lud Steinmeier einige Bischöfe und Manager für Anfang Januar zu einem gemeinsamen Gespräch ein. "Wir brauchen die Verständigung und gemeinsames Handeln von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eliten im nächsten Jahr noch stärker als in ruhigen Zeiten", sagte er der Zeitung.
Köhler forderte zur besseren Bewältigung der Wirtschaftskrise einen "neuen Geist des Miteinanders" zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. "Belegschaften und Geschäftsführungen müssen sich als Team verstehen. Das ist die moderne Zeit", sagte er in der "Bild am Sonntag". Der Bundespräsident sprach sich auch für neue Instrumente zur Arbeitnehmerbeteiligung am Unternehmenserfolg aus.